Hochwasser in Chiang Mai

Am 28. September 2011 traf Eveline Khun Daeng, den Architekten, zu einer Besprechung in seinem Büro. Bei ihrer Ankunft waren seine Angestellten damit beschäftigt eine Mauer zu bauen, damit Wasser der angekündigten Überschwemmung vom Ping Fluss nicht ins Büro eindringen würde. Auf der Hauptstrasse hatte Eveline eine grosse Pfütze gesehen, aber sonst nichts Bedrohliches.

Nach einer Stunde drängte Khun Daeng zum Aufbruch, da Eveline sonst das Areal nicht mehr verlassen könne. Unglaublicherweise war das Wasser in der Zwischenzeit so hoch angestiegene, dass vor dem Büro etwa 10 cm überschwemmt waren und auf der Strasse stand das Wasser schon knietief. Der Wasserpegel stieg kontinuierlich. Eine Viertelstunde später wäre ein Wegfahren nicht mehr möglich gewesen.


Es war ein eigenartiges Gefühl durch die Stadt zu fahren. Viele Menschen bereiteten sich auf die Überschwemmung vor. Sie bauten Mauern vor ihren Eingängen auf oder verbarrikadierten sie mit Sandsäcken. Lastwagen voller Sand waren unterwegs, um den Leuten diese Vorsorgeaktivitäten zu ermöglichen.


Es war nicht überraschend, dass es grosse Staus gab. Auf den Brücken standen die Menschen und beobachteten gespannt das stetige Steigen des Wasserpegels. Die kleinen fahrenden Läden waren auch schon zur Stelle. Wie immer macht in Thailand alles Spass, selbst eine Überschwemmung.


Abends beim Treffen der ‚Chiang Mai Friends‘ kamen einige Mitglieder nicht, weil sie einfach nicht aus den Häusern gehen konnten oder mit dem Retten ihres Hab und Guts beschäftigt waren. Bob erzählte, dass er soeben in einen anderen Wohnblock umgezogen sei und feststellte, dass das Wasser immer höher stieg. Er hatte noch keine Lebensmittel eingekauft, aber dafür blieb nun auch keine Zeit mehr. Er nahm eine Tasche mit dem Nötigsten, stoppte einen vorbeifahrenden Lastwagen, der rückwärts gegen das Treppenhaus fuhr, damit er trockenen Fusses einsteigen konnte, und liess sich auf der Ladefläche in Sicherheit bringen. Bob wohnt nun in einem kleinen Hotel, bis das Wasser wieder auf eine akzeptable Höhe sinkt.

Daeng, unsere Angestellte, konnte am folgenden Tag nicht zur Arbeit kommen. Sie wohnt in der Nähe vom Architekturbüro, eines der am tiefst gelegenen Gebiete der Stadt, und kann nicht mehr weg (ausser vielleicht mit einem Boot). Sie erzählte später, dass das Wasser in einigen Teilen der Stadt sehr hoch stand, bis zu 1.5 m. Sie selbst bangte um ihr Leben, als sie sich durch Wasser rettete, das ihr bis zur Brust stand. Kein Wunder, denn die meisten Thais können nicht schwimmen.
In der Zwischenzeit haben wir in den Medien verfolgen können, wie schlimm es ist. Viele Privatpersonen haben sich entweder in ein höheres Stockwerk gerettet oder sind aus dem betroffenen Gebiet geflohen und kommen bei Verwandten und Freunden unter. Firmen mussten schliessen oder können nur beschränkt arbeiten, weil die Angestellten nicht zur Arbeit kommen können. Der Nachtmarkt, ein Zentrum für Touristen (da sind auch sehr viele Hotels), stand 50 cm unter Wasser, soll aber jetzt wieder offen sein.
In Thailand gibt es viele Gebiete, die schon seit Wochen von Überschwemmungen stark betroffen sind. Bisher sind um die 200 Todesfälle zu beklagen, Menschen, die von Wassermassen oder Erdrutschen mitgerissen wurden. Das Wasser geht wohl nicht so bald auf einen normalen Stand zurück. Es regnet weiter und grössere Regenfälle werden in den nächsten Tagen noch erwartet. Zudem sind die Staudämme voll und das überschüssige Wasser wird in die Flüsse abgeleitet, was weiter zu Hochwasser führt.
 Hier in Chiang Mai rechnet man damit, dass diese Krise noch mindestens 10 Tage dauert. Das ist allerdings nicht viel im Vergleich mit weiter unten liegenden Orten. Langsam aber sicher bahnt sich das Wasser den Weg zum Meer, das zwar 800 km aber nur 300 Höhenmeter von hier entfernt liegt. Bangkok liegt auf Meereshöhe und zum Teil auch darunter. Die Stadt bereitet sich auf eine weitflächige Überschwemmung vor.  Viele Gebiete sind schon jetzt betroffen, aber die grosse Wassermenge kommt wohl erst noch. Ayutthaya (60 km nördlich von Bangkok) ist völlig überschwemmt.
Wir wissen nicht, was noch alles kommt. Die Thais lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie nehmen einen Tag nach dem anderen.
Persönlich sind wir vom Hochwasser nicht betroffen, unser Haus in der Stadt ist zu weit weg vom Fluss und liegt auch ein paar Meter höher. Das Landstück in Mae Rim ist auch nicht betroffen. Es ist zwar nicht so weit vom Fluss weg, aber diese Gegend ist trocken.
Die Ereignisse in diesen Tagen erinnern uns an unsere Jahre in Bangkok, als wir viel Zeit in dem kleinen Haus am Fluss, in Ko Kret, verbrachten.
Auch da war alles für mehr als drei Monate überschwemmt. Wir konnten vom Boot aus direkt in den zweiten Stock des Hauses steigen.
Heute wie damals leben die Thais mit ihrem Schicksal, was es auch immer bringen mag und ihr Lächeln verschwindet selbst in diesen schwierigen Zeiten nicht.